ZAUBERSTAB ZUR SELBSTMASSAGE

Originaltitel TOO MUCH TOO OFTEN
Alternativtitel DESIRES OF A WOMAN (Alternativtitel auf der deutschen FSK-Freigabebescheinigung)
PEITSCHE DER LUST (deutscher Vorankündigungstitel)
   
Land und Jahr USA 1968
   
Regie Louis Silverman [= Doris Wishman]
Produktionsfirma Mostest Production, Inc.
Produktion Louis Silverman [= Doris Wishman]
Drehbuch L. Silverman [= Doris Wishman]
Kamera C. Davis Smith
Schnitt Dee Ess [= Doris Wishman]
Musik Music Sound Track
   
Darsteller Buck Starr, Sharon Kent, Lee Taylor, Sam Stewart, Darlene Bennett, Michelle Fox, Bob Oran, Stephanie Collins, Rita A. Bennett u. a.
   
deutsche Erstaufführung 18.7.1969
Verleih Filmagentur Madsack/Filmagentur Süd/Filmagentur West/Mercator
Format 1:1,85
Laufzeit 65 Minuten (= 1778 Meter, deutsche Kino-Version); Originallänge: 72 Minuten (laut dem "The American Film Institute"-Verzeichnis)
Home-Entertainment Video:
Something Weird Video, USA

 

"Ich mag meinen Alkohol stark und meine Frauen schwach."

Dialogzeile

 

ZAUBERSTAB ZUR SELBSTMASSAGE ist der letzte von sieben Filmen, die Doris Wishman im schwarzweißen Roughie-Genre gedreht hat. ZAUBERSTAB, dem im selben Jahr noch LOVE TOY folgen sollte - ihr erster Film in Farbe seit dem Ende des Nudistenfilms 1964 und gleichzeitig ihr erster Softcore Film - markiert das Ende einer Ära, sowohl für Wishman, als auch für das Sexploitation-Genre.

Ganz im Gegensatz zu Wishmans anderen Roughie-Melodramen (BAD GIRLS GO TO HELL aka ICH WILL DICH OHNE; MY BROTHER'S WIFE; ANOTHER DAY, ANOTHER MAN etc.), steht hier ein männlicher Protagonist im Zentrum des Geschehens. Mike Torson ist ein Gigolo, Zuhälter, Erpresser und Dieb. Sein gesamtes Streben zielt einzig und allein darauf, es "bis ganz nach oben zu schaffen". Torson erschleicht sich einen Posten in einer Werbefirma, verführt die Tochter seines Chefs und überredet dessen Sekretärin, ihm wertvolle Informationen über die Firmenkonten zu beschaffen. Gleichzeitig pflegt er eine Affäre mit einer Studentin (die er verstößt, als sie ihm beichtet schwanger zu sein), lässt eine vollbusige Prostituierte für sich anschaffen und trifft sich mit einer ehemüden Hausfrau, die ein wenig "Nachmittags-Vergnügen" sucht.

Torson, ein Prolet erster Güte, ist eine Zusammenfassung vieler männlicher Bösewichte, die Wishmans Filme in der Mitte der 60er Jahre bevölkerten. Torson besitzt Eigenschaften des Kupplers aus THE SEX PERILS OF PAULETTE, des Alkoholikers, der die "Heldin" in ICH WILL DICH OHNE bei sich aufnimmt, und des betrügerischen Frankie aus MY BROTHER'S WIFE. Interessanterweise wurden alle drei Rollen von Wishman-Stammschauspieler Sam Stewart dargestellt. Der dunkelhaarige Stewart wird auch am Schluss von ZAUBERSTAB zurückkehren, um Rache am jüngeren, blonden Hauptdarsteller Buck Starr zu üben. Starr schien nach seinem ersten Auftritt in Wishmans A TASTE OF FLESH (1967) in die Gruppe ihrer Stammschauspieler aufgenommen worden zu sein. Die genannten Figuren sind allesamt Sadisten und Frauenfeinde, jedoch zeichnet sie gleichzeitig eine tiefe pathologische Abhängigkeit vom weiblichen Geschlecht aus. Sie streben die sexuelle und ökonomische Ausnutzung ihrer Opfer an, um sich selbst auf sozialer und sexueller Ebene aufzuwerten. Die Darstellung von Männern in Wishmans Roughies ist von der Vorstellung geprägt, dass Männlichkeit eine an sich räuberische Domäne ist, die nur der Ausnutzung des Schwächeren dient.

Anders als einige ihrer früheren Roughie-Unmenschen ist Mike Torson jedoch kein Vergewaltiger (jedenfalls nicht in den ersten 60 Minuten des Films, worauf ich noch zurückkommen werde). Er ist ein eitler und egozentrischer junger Schönling, der gelernt hat, seine Attraktivität in den Köder zu mischen, der Frauen in sein Spinnennetz sexueller und wirtschaftlicher Ausnutzung locken soll. "Du bist so ziemlich der eingebildetste Mann, den ich jemals getroffen habe", bemerkt seine College-Eroberung mit gespieltem Ekel und löst damit eine der zentralen Alarmglocken im moralischen Schluss des Films aus. Die Tatsache, dass sich seine Opfer freiwillig in die Opferrolle fügen, ist ein weiterer Beweis seiner tödlichen Attraktivität. Angezogen von Torsons Eitelkeit hoffen sie, dass sich etwas von seiner Anziehungskraft auf sie überträgt.

Vom technischen Standpunkt aus trägt ZAUBERSTAB ZUR SELBSTMASSAGE sämtliche Merkmale von Wishmans Roughie-Stil. Fotografiert von ihrem bevorzugten Kameramann C. Davis Smith, wurde der Film mit Handkamera an drei Hauptorten gedreht: Wishmans berühmtem Queens Boulevard Apartment (zu erkennen am "modern-orientalischen" Stil), einem Landhaus, das bisher in keinem ihrer Filme auftauchte (dort entstanden auch Außenaufnahmen) und einer mit allerlei künstlerischem Schnickschnack eingerichteten Wohnung. Stilistisch sind besonders Smiths typische "Kontakt-Blenden" bemerkenswert, bei denen ein Darsteller bis zur Berührung auf die Kamera zugeht und damit eine Abblende erzeugt, sowie einige Szenen, welche das Geschehen in der Reflexion eines Spiegels zeigen.

Diverse Szenen beweisen, dass Wishman und Smith mit viel mehr Kamera-Einstellungen arbeiten, als man ihnen das normalerweise zugesteht. Sie teilen Szenen in integrale Komponenten auf, um sie am Schneidetisch neu zu ordnen (zum Beispiel in der Szene, in der die Sekretärin Torson beim Durchwühlen des Schreibtischs seines Chefs überrascht). Darüber hinaus gibt es einige äußerst ungewöhnliche Einstellungen, wie etwa diejenige, in der aus der Untersicht Torson und seine Geliebte zu sehen sind, die sich stehend und über dem Kameramann auftürmend liebkosen, der augenscheinlich flach auf dem Boden zwischen ihnen liegt.

Besonders erwähnenswert ist zudem eine Sequenz, die ein eindrucksvolles Beispiel für Wishmans voll entwickelte "Zwischenschnitt-Technik" liefert. Die Sequenz beginnt mit einer Totalen des gesamten Wohnzimmers in Wishmans Queen's Boulevard Apartment. Vorhänge mit Blättermuster, die man schon in diversen Filmen bewundern konnte, verdecken die Schiebetür zum Balkon, offenbar um dem Apartment den Anschein eines neuen Ortes zu geben (obwohl es eigentlich derselbe Ort sein soll, den wir schon zuvor im Film gesehen haben). Mike und seine zukünftige Verlobte Sarah betreten in einer Halbtotalen den Raum und setzen sich auf die Couch. Mike fragt Sarah, wie ihr das Abendessen gefallen hat. An dieser Stelle schneidet Wishman plötzlich auf eine schwarze Handtasche, welche auf einem Schränkchen abgestellt ist. Sarahs Stimme liegt darüber. Wir erfahren, dass sie das Abendessen sehr genossen hat. Schnitt zurück in die Totale. Sarah steht auf und geht hinüber zum Fenster. Sie öffnet die Gardine einen kleinen Spalt und schaut heraus. Schnitt auf einen Mann, der aus seinem Wagen steigt, welcher an einer stark befahrenen New Yorker Strasse geparkt ist. Diese Einstellung ist jedoch eindeutig aus der Perspektive des Bürgersteigs und nicht vom Penthouse-Apartment aufgenommen worden. Sarah: "Was für eine aufregende Aussicht." Sie schaut weiterhin aus dem Fenster. Sarah: "Weißt Du, Mike, dieses Apartment ist wirklich elegant." Während sich Mike und Sarah unterhalten, wird zwischen den beiden hin und her geschnitten. Dann kehrt die Kamera zur Straßen-Einstellung zurück. Dieses Mal sehen wir, was augenscheinlich ein früheres Stück der zuvor gezeigten Einstellung ist: Der Wagen setzt gerade in die Parklücke, in der dieser vorher schon stand! Mike: "Ich bin wahrscheinlich ein Snob, aber mir gefällt es hier." Trotzdem schlägt er vor, zu gehen. Die beiden verlassen den Raum auf der entgegengesetzten Seite, auf der sie ihn betreten haben.

Einige der Darsteller in ZAUBERSTAB ZUR SELBSTMASSAGE sind bereits in früheren Wishman-Filmen aufgetreten. Der Hauptdarsteller Buck Starr (ein offensichtliches Pseudonym) spielte schon einen der Kidnapper in A TASTE OF FLESH. Torsons jugendliche Geliebte wird von Sharon Kent verkörpert, die schon in ihrer Hauptrolle in Wishmans direkt vor ZAUBERSTAB entstandenem INDECENT DESIRES angenehm aufgefallen war, zusammen mit Co-Star Jackie Richards (jetzt mit blonder Perücke) als verheiratete Frau. In der Rolle des erpressten Chefs ist Bob Oran zu sehen, ein Veteran vieler Wishman-Roughies. Nicht vergessen werden darf der schon erwähnte Sam Stewart, welcher als rächender Polizist auftritt. Als dessen Frau sehen wir in den Rückblenden noch Wishman-Stammschauspielerin Darlene Bennett. Die einzigen neuen Mitwirkenden sind die Darstellerinnen der Sekretärin, der Prostituierten und der Verlobten. Keine von ihnen war in folgenden Wish-Werken jemals wieder zu erleben.

Wishman selbst synchronisiert in der Originalfassung - wie es ihre Angewohnheit ist - einige kleine Rollen selbst, so die üppige Südstaaten-Prostituierte. Der Sprecher Mike Torsons ist übrigens im Original derselbe, der auch den Hauptdarsteller in LOVE TOY synchronisierte.

ZAUBERSTAB ZUR SELBSTMASSAGE ist der optisch expliziteste aller Wishman-Roughies und enthält eine ganze Reihe von "Oben-ohne"-Szenen. Anders als die nachfolgenden Filme SINNLICHE LIPPEN (THE AMAZING TRANSPLANT) und LOVE TOY, zwei eindeutige Vertreter des kurzlebigen Softcore-Genres, hält sich ZAUBERSTAB streng an die Roughie-Regeln. Es gibt weder Aufnahmen frontaler Nacktheit noch ausgedehnte (simulierte) Sex-Szenen. Die Eröffnungssequenz, in der Torson seinen zukünftigen Chef auspeitscht, der ihn augenscheinlich für seine Dienste bezahlt hat, macht ZAUBERSTAB zu einem der "perverseren" und sexuell beunruhigenderen Filmen in Wishmans Roughie-Repertoire. Wishman, von jeher eine treue Anhängerin einmal erfolgreicher Muster, blieb solange im bewährten Genre, bis die Gegebenheiten des Marktes sie zwangen, etwas Neues auszuprobieren.

Am Schluss von ZAUBERSTAB ZUR SELBSTMASSAGE muss Mike Torson natürlich für seine Verbrechen bezahlen. Eines seiner Opfer - ein Polizist, dessen Frau Mike vor längerer Zeit sadistisch vergewaltigt hatte - erscheint und verprügelt ihn, bis er blutend am Boden liegt. So endet seine Beschäftigung in der Werbefirma und seine geplante Hochzeit ist ebenfalls geplatzt. Diese finale Sequenz erscheint irgendwie angehängt. Als Begründung wird lediglich eine seltsam spät im Film platzierte Rückblende benutzt, auf die es im gesamten Film keinerlei Hinweise gibt. Obwohl die Rückblende dazu dient, den moralischen "Verbrechen-lohnt-sich-nicht"-Schluss zu ermöglichen, der so typisch für Geschichten im Krimi-Genre ist, deutet ihre überraschende Unzulänglichkeit in eine andere Richtung: Wishman scheint viel mehr Vergnügen an der Darstellung der Missetaten Torsons zu haben, als an einer wirklich moralischen Auflösung der Geschichte.

Obwohl Torson in vielerlei Hinsicht Wishmans extremster und manipulativster männlicher Charakter ist, vermag sie selbst paradoxerweise (und was ist schon nicht paradox in Wishmans Kino?) in ihm so etwas wie ein Ideal-Ego zu entdecken. Als Chef-Manipulator der Geschichte ist es Torsons Wille, der die Handlung des lose strukturierten Films voran treibt. Seine selbstdarstellerischen Launen scheinen die einzige leitende Kraft der Geschichte zu sein. Entgegen ihren weiblichen Protagonisten, die sich in den Fängen eines unkontrollierbaren Albtraums wiederfinden, hat Wishman Torson eindeutig als Herrn über sein eigenes Schicksal konstruiert, und damit auch über das des Films - jedenfalls bis zu seinem unerwarteten und klischeehaften Niedergang. Hinter einer Fassade maskuliner Zügellosigkeit mag Wishmans Wunsch nach eigener Machtausübung zum Ausdruck zu kommen. Indem sie ihre Identifikationsfigur wechselt - von der für die Gattung traditionellen Opfer- (weiblich) in die Täterrolle (männlich) - leitet sie bereits ihren bevorstehenden Bruch mit dem Roughie-Genre ein.

PS: Zum Abschluss noch eine bemerkenswerte Tatsache am Rande: In einer Szene schlägt Mike Sarah vor, gemeinsam nach Elton, Maryland durchzubrennen - genau wie es Wishman und Ex-Ehemann Lou Silverman ein paar Jahre zuvor getan hatten.

© by LUIGI MANICOTALLE

[Anm.: Natürlich hat der Film rein gar nichts mit "Zauberstäben zur Selbstmassage" zu tun. Im deutschen Aushangsatz wird trotzdem der dreiste Versuch unternommen, den Titel zu rechtfertigen. That's Exploitation!]

 

 

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