NACKT IM SOMMERWIND

Originaltitel THE PRINCE AND THE NATURE GIRL
   
Land und Jahr USA 1965
   
Regie Doris Wishman
Produktionsfirma Juri Productions Inc.
Produktion Doris Wishman
Drehbuch Andrew Kuehn [= Doris Wishman]
Kamera Nouri Haviv
Schnitt Stuart Allen [= Doris Wishman]
   
Darsteller Joni Roberts, Lee Abel, Jeffrey Niles, Warren Gray u. a.
   
deutsche Erstaufführung 1968
Verleih Mercator
Format 1:1,37
Laufzeit 58 Minuten (= 1577 Meter, deutsche Kino-Version);
Die Originallänge ist nicht mehr zu ermitteln, da der Film nur noch in der deutschen Fassung existiert. (Im Original-Dialogbuch ist eine Länge von 70 Minuten angegeben. Weil sich dort aber keine Szenen finden, die in der deutschen Fassung fehlen würden, ist diese Angabe anzuzweifeln.)
Home-Entertainment nicht verfügbar

 

"Der Erlebnisbericht eines Mannes,
der im Naturisten-Club Zwillings-Schwestern nicht mehr unterscheiden kann
und in große Bedrängnis gerät."

(Original Werbezeile)

 

Doris Wishmans Komödie der Irrungen, ihr letzter Nudistenfilm, der letzte Farbfilm ihrer ersten Schaffensphase.

Worum geht es? Die Zwillingsschwestern Sue - brünett - und Eve - blond - kommen in die große Stadt. Ihren Lebensunterhalt bestreiten sie in der Firma des steinreichen Mr. Prince. Der fesche Junggeselle ist der Sohn eines Multimillionärs und ein rechter Lebemann. Am Wochenende erholt er sich von den Strapazen des Büroalltags im nahgelegenen Nudisten-Paradies. Hier kann er als Gleicher unter Gleichen die Entspannung finden, die ihm die hektische Businesswelt der Stadt nicht erlaubt.

Wie es der Zufall will, ist auch Eve praktizierende Nudistin und so kommt es im Naturisten-Club zu einem unerwarteten Treffen mit ihrem neuen Chef. In der ungezwungenen Atmosphäre kommt man sich schnell näher und schon funkt es. Sue beobachtet das Glück ihrer Schwester sehr argwöhnische, hat sie doch ebenfalls ein Auge auf Mr. Prince geworfen. Eine schwierige Situation.

Da tritt Gevatter Schicksal auf den Plan. Ein Brief trifft ein, der Eve dringlichst aus der Stadt beordert. Als nun Mr. Prince anruft und glaubt Eve an der Strippe zu haben, fasst Sue einen verwegenen Plan. Was, wenn sie mit Hilfe einer blonden Perücke ...?

Gedacht, gemacht. Mr. Prince ist so voll der Liebe, dass er den Schwindel nicht bemerkt und bald schon liegt das Perückenluder in den Armen des Prinzen. Als Eve unerwartet nach Hause kommt, platzt die Bombe. Mr. Prince ist leicht irritiert, aber Eve ist eine gute Verliererin und räumt das Feld. Im Nudistencamp sucht sie Vergessen doch als der fesche und noch reichere Mr. King vor ihr steht, beschließt sie kurzerhand dem Trübsalblasen Lebewohl zu sagen und sich statt des Prinzen einen echten König zu angeln. Ende gut, alles gut.

Soweit die Geschichte dieses Meisterwerks. Als Abschluss ihrer Nudistereien hat sich Doris ein echtes Märchen einfallen lassen. In der - leider verschollenen - Originalversion, von der glücklicherweise noch die Dialogbücher erhalten geblieben sind, ist der Märchenaspekt noch viel deutlicher als in der Synchronfassung. Dort ist Mr. Prince ein echter Prinz und die Texte sind in ihren Formulierungen sehr an Grimm angelehnt.

Nichtsdestotrotz muss die deutsche Fassung als sehr gelungen gelten. Der Erzähler ergeht sich in herrlich ausfabulierten Ironien und als Sprecher sind so erlesene Größen wie Christian Brückner (Mr. Prince) zu bewundern. Ein großes Plus ist auch die wunderbar James-Last-inspirierte Musik, die sich nicht gerade amerikanisch anhört. Wahrscheinlich musste sie in Ermangelung eines original IT-Bandes für die deutsche Fassung neu zusammengestellt werden. Zum Glück hatte der deutsche Bearbeiter ein wirklich glückliches Händchen in der Auswahl aller Zutaten, so dass die deutsche Fassung ein ungetrübtes Vergnügen bereitet.

NACKT IM SOMMERWIND unterscheidet sich schon sehr von Ms. Wishmans früheren Nudistenfilmen. Diese waren in technischer Hinsicht noch relativ brav nach den herkömmlichen Regeln der Filmkunst gefertigt. Die Kamera ist in diesen Filmen halbwegs sorgfältig und auch der Schnitt ist noch nicht ausgeprägt wishmanesk.

SOMMERWIND allerdings wirkt wie ein Flickenteppich und zeigt an allen Ecken und Enden Spuren akuter Armut. Große Teile des Films bestehen aus Archivmaterial älterer Werke und selbst diese werden im Film noch mehrmals eingesetzt. Wie oft kann man die Seerosen bewundern? Die Gänse? Das Flugzeug?

Unsere Hauptdarsteller verschwinden manchmal für mehrere Minuten von der Leinwand, um - in der vielleicht amüsantesten Sequenz des Films - kitschigen Naturimpressionen Platz zu machen. Ein anderes Mal betrachten wir fasziniert die Schwimmkünste einer Badenixe, die wir allerdings schon in anderen Wish-Filmen bewundern konnten.

Mit fortschreitender Laufzeit zerfällt der Film immer mehr in seine Einzelteile und es gelingt Doris wirklich nur mit allergrößter Mühe, einigermaßen über die Runden zu kommen und die Geschichte überhaupt zu einem Ende zu führen. Ihre Materialnot geht so weit, dass sie an einigen Stelle auf Standkopierungen zurückgreifen muss (so in der Enthüllungssequenz am Schluss).

Die notwendigen Kompromisse waren verantwortlich für einen Film, der schon sämtliche Spuren der klassischen Wishman-Werke aufweist. Dies gilt besonders für den Schnitt, der die Sequenzen zergliedert, statt im Sinne der klassischen Hollywood-Schule ein Kontinuum zu erzeugen. Dies ist wohlgemerkt nicht auf eine bewusste Entscheidung der Regisseurin zurückzuführen, sondern einzig und allein Ausdruck einer Notsituation. Der Kompromiss bedingt die Form und mündet in ein Werk, welches schon deutlich den vielgepriesenen oder auch berüchtigten Wishman-Stil zeigt. Dieser kleine Film ist ein Versprechen der die Dinge, die noch kommen sollten.

Trotz aller Kapriolen kommt der Film nicht einmal auf eine Laufzeit von einer Stunde und Doris sagt heute, dass NACKT IM SOMMERWIND ein Flop war, der kaum Abnehmer gefunden hat. Bis auf den deutschen MERCATOR-FILMVERLEIH! Dieser hat damals zum Glück zugegriffen und das Werk somit sogar vor seiner absoluten Vernichtung bewahrt. Dem GEHEIMNISVOLLEN FILMCLUB BUIO OMEGA gegenüber versicherte der Besitzer des Verleihs, dass der Film in den deutschen Bahnhofkinos sehr gute Kasse gemacht hat. Das dürfte Doris im Nachhinein freuen. Sie selbst mag den Film nicht besonders, aber das hat wahrscheinlich auch mehr mit dem finanziellen Misserfolg zu tun, der angesichts der minimalen Produktionskosten allerdings nicht sehr bedrohlich gewesen sein kann. Doris zog die Konsequenzen und wechselte vom harmlosen Nudisten- ins harte Roughie-Genre, wo sie einige ihrer besten Filme schuf.

NACKT IM SOMMERWIND ist eine sehr harmlose, äußerst amüsante Kostbarkeit, die man am besten nackt genießt. Ohne 5.1 und ganz ohne 16:9.

© by HEINZ KLETT

 

 

WEITERE BESPRECHUNGEN ZU
DORIS WISHMAN-FILMEN:

          

 

 

Die auf dieser Domain veröffentlichten Filmbesprechungen haben rein filmjournalistischen Charakter. Das verwendete Bildmaterial dient nicht zu Werbezwecken, sondern ausschließlich zur filmhistorischen Dokumentation. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Das Copyright liegt bei den Autoren.

Filmarchiv     Filme von A - Z