HEXEN BIS AUFS BLUT GEQUÄLT
Alternativtitel | MARK OF THE DEVIL BRENN, HEXE, BRENN BURN, WITCH, BURN HEXEN SATAN |
Land und Jahr | Bundesrepublik Deutschland 1969 |
Regie | Michael Armstrong und Adrian Hoven, vorbereitet von Michael Reeves |
Produktionsfirma | HiFi-Stereo-70 |
Produktion | Gloria, Ilse Kubaschewski |
Drehbuch | Sergio Casstner & Percy Parker [ = Adrian Hoven] |
Kamera | Ernst W. Kalinke |
Schnitt | Sigrun Jäger |
Musik | Michael Holm |
Darsteller | Herbert Lom (Lord Cumberland), Udo Kier (Graf Christian von Meruh), Olivera Vuco [= Vucotic] (Vanessa Benedikt), Reggie Nalder [= Alfred Reginald Natzler] (Albino), Herbert Fux (Henker), Johannes Buzalski (Advokat), Michael Maien (Baron Daume), Ingeborg Schoener, Adrian Hoven, Gaby Fuchs (Jeni von Bergenstein), Günter Clemens, Doris v. Danwitz, Dorothea Carrera, Marlies Petersen, Bob Gerry u. a. |
deutsche Erstaufführung | 19.02.1970 |
Verleih | Gloria |
Format | 1:1,85 |
Laufzeit | 97 Minuten (deutsche Kino-Version) |
Home-Entertainment | Video: VMP; CMV; Astro; Classic Entertainment. |
"Er war ein seltsamer Kerl, aber
was hat es für einen Sinn über Menschen zu reden?"
"Tanya, auf Wiedersehen!"
"Adios."
Dialogzeile
Einen Einblick in eine maßlos korrumpierende
und demoralisierte Gesellschaft zeigt uns Udo Kiers dritter Film (nach SCHAMLOS
und LA STAGIONE DEI SENSI [SEASON OF THE SENSES] - letzterer übrigens von Wolf
C. Hartwig produziert). Das
Österreich des 17. Jahrhunderts muss eine nicht sonderlich gemütliche Angelegenheit
gewesen sein. Selten wurde die Willkür einer Obrigkeit dem Publikum in einer
derart krassen Form vorgesetzt. Zur eigenen und der allgemeinen Belustigung
denn einer möglichen Wahrung der Rechtsordnung, folterte man in jenen Tagen
Menschen oder ließ die ebenso öffentlich zur Schau Gestellten auf allerlei scheußliche
Art hinrichten.
Dies ist im Groben schon das dramaturgische Sujet, welchem HEXEN kontinuierlich folgt, wobei hier die Rolle der Kirche und das Instrumentieren einer krankhaften Religiosität spekulativ in den Mittelpunkt gerückt werden. Unschuld und Idylle treffen auf ein perverses Terrorregime, welches sich unter dem Mantel kirchlicher Werte verschanzt.
Die Dramatik des Film-Geschehens ergibt sich einerseits aus dem überdurchschnittlich offen Gezeigten und der andererseits "realen" Kamera-Arbeit Ernst W. Kalinkes, welcher einige reizvolle Effekte, wie z. B. die "Ausgestochene-Auge-Szene", einbaute. Etwas besonderes sind auch die Kulissen des abgelegenen Drehortes Mauterdorf im österreichischen Lungau. Die original belassenen Gassen und die stattliche Burgfestung des kleinen Ortes passen ausgezeichnet zu einem Film dieses Themas.
Michael
Holms angenehm kitschiger Score stimmt ein wenig Misstrauisch und schafft zu
Beginn eine leicht gespaltene Erwartung, wechselt aber im weiteren Verlauf gekonnt
von tragischen bis zu psychedelisch Tönen. Als am Ende Kiers Figur in einem
üblen Folterinstrument dem aufständischen Dorfmob zum Opfer fällt, wirkt Holms
mehr an einen Heimatfilm erinnernder Soundtrack extrem kontrapunktierend. Ungefähr
zur selben Zeit kam auch sein fetziges "Mendocino" in die Hitparaden. Angeblich
soll es vom deprimierenden Film-Ende noch zusätzliche Material geben, in dem
der Leichnam Graf Christians von den Astralkörpern der hingerichteten Hexen
geholt wird (siehe deutsches Aushangfoto links unten am Ende des Artikels!).
Auch die Stimmung in der sich Michael Armstrong in jenen Tagen wiedergefunden haben mag beschreibt die Musik trefflichst. Der mit psychischen Drogen hantierende Engländer schaffte es nur das erste Drittel des Werkes abzudrehen. Dann entschied sich Gloria Chefin Ilse Kubaschewski den wohl verwirrten Armstrong (welcher sich - laut Fux - in einer Sänfte zum Drehort hat tragen lassen) durch Adrian Hoven zu ersetzen. Dem Film schadete es letztlich nicht. Hoven konnte ein Jahr später in DAS SAGENHAFTE LIEBESLEBEN DER NIBELUNGEN abermals seine Erfahrung im historischen Ambiente einbringen.
Der
Regisseur des Welterfolges DER
HEXENJÄGER (THE WITCHFINDER GENERAL, 1968), Michael Reeves, war eigentlich
die erste Wahl der Produzenten. Leider nahm sich aber Reeves noch während der
Vorbereitungen zu HEXEN das Leben, so dass man sich aus verschiedenen Gründen
für seinen Assistenten als Regieersatz entschied. Ilse Kubaschewski, die diese
Art Film überhaupt nicht mochte, stand damals vor der Entscheidung an der aufkommenden
Welle von Hexen-Filmen zu partizipieren, oder sich das Geschäft von der CONSTANTIN
(DER HEXENTÖTER VON BLACKMOOR, ebenfalls 1969) wegschnappen zu lassen. Somit
drängt sich aus heutiger Sicht natürlich die Frage auf, warum es nach dem großen
Erfolg dieser Streifen keine weiteren Nachzügler gab? Eine wirkliche Welle,
und das ist schade, fand jedenfalls nicht statt.
Für den inoffiziellen 2. Teil HEXEN
- GESCHÄNDET UND ZU TODE GEQUÄLT bekam Regisseur Hoven bis auf Erika Blanc und
Ellen Umlauf (gestorben im Februar 2000) leider keine so spektakuläre Besetzung
mehr zusammen. Ergo besetzte er sich als Percy Parker selbst. Herbert Fux jedenfalls
meinte, das
durchschnittliche Drehbuch sei ausschlaggebend gewesen, seine Teilnahme am Sequel
zu versagen. Mich würden die wirklichen Gründe interessieren, denn auch wenn
ein Lom oder Fux im Folgefilm fehlten, so unterhält er doch sein Publikum auf
nicht minder kompromisslose Weise. Übrigens wurde der Böhme Herbert Lom, der
1999 noch vor der Kamera stand, am 09. Januar 2001 stattliche 84 Jahre alt.
Der gebürtige Wiener Reggie Nalder (eigentlich Alfred Reginald Natzler) war aufgrund seines deutschen Akzents und seine echten Gesichts- und Brandnarben ein gern besetzter Bösewicht in internationalen Filmen (u. a. bei Hitchcock). In Dario Argentos DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN HANDSCHUHE (L'UCCELLO DALLE PIUME DI CRISTALLO) war das am selben Tag wie ich geborene Original der Serien-Killer. Die Belgraderin Olivera Vuco hingegen konnte in der Folge keine weiteren Erfolge im Stil von HEXEN mehr verzeichnen. Sie kehrte nach Jugoslawien zurück und drehte dort wieder TV-Filme. Ihre Kollegin Gaby Fuchs war später zumindest noch in Léon Klimovskys NACHT DER VAMPIRE zu sehen.
Wesentlich
erfolgreicher ist dieser Tage aber Udo Kier, zumindest was die Quantität seiner
Rollen angeht. Heute schafft es Kier im Jahr bis zu acht (!) Filme abzudrehen,
wobei er wenig wählerisch zwischen Mainstream, Independent- und B-Filmproduktionen
hin und her pendelt. Dazu gehört auch Edmund Elias Merhige-Film SHADOW OF THE
VAMPIRE, der eine Mischung aus den beiden letztgenannten Kategorien ist und
ohne großes "Geschnörkel" als einer der wohl grandiosesten Werke des Filmjahres
2000 bezeichnet werden kann. Schön, dass wenigstens Kier gut versorgt ist.
Michael Maiens Karriere verlief nicht ganz so routiniert und schon gar nicht grandios. 1965 noch mit einem goldenen Bambi für seine Leistung in der Thomas Mann-Verfilmung WÄLSUNGENBLUT ausgezeichnet, führte ihn sein Weg über unzählige SexfilmeAnfangder 70er Jahre, Mario Caiano`s L'OCCHIO NEL LABIRINTO und dem Jess Franco-Film FRAUEN OHNE UNSCHULD, in den 90ern geradewegs in die Arme von Teufel Alkohol. Das ewige Dritte-Reihe-Gesicht Johannes Buzalski, noch bestens aus den unsäglichen LASS JUCKEN KUMPEL-Streifen in spektakulärer Erinnerung, konnte seinen Lebensabend 1980 leider auch nicht besonders ausgesorgt beenden. Dafür fand dann Pete Shelly im selben Jahr die tröstenden Worte: "What ever happend to the real life ...!" Apropos, was macht der eigentlich heute?
© by ANSELM ZU HASTENBECK
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